Ratgeber

Hildegard von Bingen und die Heilsteinkunde

Hildegard von Bingen – Heilsteinkunde

Wer sich mit den Grundlagen der Steinheilkunde auseinandersetzt, stößt früher oder später auf den Namen Hildegard von Bingen. Die Nonne und Universalgelehrte leistete mit ihren Schriften zur Mystik erstens einen wichtigen Beitrag zur Bildungsgeschichte des Abendlandes.

Sie legte die Grundlagen für eine ganzheitliche Medizin, die Körper und Geist gleichermaßen im Blick behält. An diesen Grundsatz anknüpfend erforschte sie die positiven Wirkungen der Heilsteine auf den menschlichen Organismus. Ihre Texte liefern uns noch heute wichtige Erkenntnisse. Obwohl die Fachliteratur diese regelmäßig zitiert, wissen viele Menschen nicht viel über die Kirchenheilige.

Wer war Hildegard von Bingen?

Als im Jahr 1098 im rheinhessischen Bermersheim das zehnte Kind einer Familie von Hildebrecht und Mechthild von Hosenbach auf die Welt kam, wirkte es schmächtig und war anfällig für Krankheiten.

Schnell stellte sich jedoch heraus, dass das zierliche Kind mit einem ausgeprägten Intellekt gesegnet war, eine sensible Wahrnehmung für seine Umwelt an den Tag legte und voller Neugierde steckte.

Die Bildungsinstitutionen der damaligen Zeit waren die Klöster. Die Eltern übergaben das begabte Kind deshalb in die Obhut des Frauenklosters Disibodenberg, wo die achtjährige Hildegard Schülerin von Jutta von Sponheim wurde. Dreißig Jahre später sollte sie nach dem Tod ihrer Lehrerin selbst die Leitung des Frauenklosters übernehmen.

Zum entscheidenden Einschnitt im Leben Hildegards kommt es fünf Jahre später. 1141 vernimmt die Nonne erstmals eine übersinnliche Stimme, die zu ihr spricht. Sie weist Hildegard an, alles niederzuschreiben, was sie hört und beobachtet. 

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Visionen einer Mystikerin

Mit diesem Erweckungserlebnis beginnt ein einzigartiges theologisches Schaffen. Es zeichnet sich durch ein hohes Maß an Sensibilität und Offenheit für die energetischen Kräfte aus, die in der Welt und im Menschen wirken.

Die Wirkung von Heilsteinen wird Hildegard schnell bewusst. Mit ihrem „Buch von den Steinen“ widmet sie diesen eine eigene Abhandlung. Im Verlauf ihres Schaffens verfasst die bekannteste Mystikerin des Mittelalters wichtige Schriften zu ihren Eingebungen, ist als Seelsorgerin tätig und wirkt bis zu ihrem Tod am 17. September 1179 als Beraterin bedeutender Persönlichkeiten.

Unzählige Menschen schätzten das Wissen und die sensible Wahrnehmung der Gelehrten. Landläufig wird Hildegard von Bingen bereits zu Lebzeiten in manchen Kreisen wie eine Heilige verehrt. Nach ihrem Tod kommt es zu einem Versuch, sie offiziell heiligsprechen zu lassen. Bis es soweit kam, sollten noch einige Jahrhunderte verstreichen.

Tradierung und Wiederentdeckung

Die katholische Kirche unterstützt den Vorstoß der Heiligsprechung am Ende nicht. Beim Übergang zwischen Mittelalter und Neuzeit gerät die Mystikerin allmählich in Vergessenheit. Man misstraut ihren visionären Eingebungen.

An der Wende zum 20. Jahrhundert wird ihr Werk neu entdeckt. 1903 wird ihre Schrift „causae et curae“ unter dem Titel „Heilwissen“ erstmals veröffentlicht. Weitere Veröffentlichungen folgen. Das „Buch von den Steinen“ verschafft der Heilsteinkunde neuen Aufwind. Hildegards Ansatz wirkt wie ein Vorläufer der modernen ganzheitlichen Medizin und kommt später auch in der „New Age“-Bewegung gut an. Ab den 1970er Jahren taucht die „Hildegard-Medizin“ als fester Begriff auf. Die heutige Kirche schätzt das kulturelle Erbe der Mystik ebenfalls. 2012 wird Hildegard durch Papst Benedikt XVI. heiliggesprochen.

Der deutsche Papst hatte sich früh für Hildegard interessiert. Noch im Oktober des gleichen Jahres erhebt man sie in den Stand einer „Kirchenlehrerin“. Obwohl viel Zeit vergehen musste, hat auch die katholische Kirche begriffen, was sie an der sensiblen Gelehrten hat. Im Gegensatz zu anderen Theologen wird ihr Werk heute von wesentlich mehr Menschen gelesen.

Hildegards Heilkunde

Hildegard von Bingen begreift den Menschen als Einheit aus drei Teilen: Körper, Geist und Seele wirken in jedem von uns. Nach ihrer Überzeugung steht jede Person mit einer schöpferischen Energie in Kontakt, die den einzelnen mit dem Ganzen verbindet.

Diese heilige Kraft hält uns zeitlebens dazu an, unseren eigenen Teil an der Schöpfung der Welt zu verwirklichen. Nach den Schriften der Geistlichen haben die meisten Krankheiten ihre Ursache darin, dass dieser innere Antrieb nicht umgesetzt wird oder sich in einem Ungleichgewicht mit den Lebensverhältnissen befindet.

Wenn Erkrankungen bekämpft werden sollen, müssen diese Ursachen bekämpft werden. Dank ihrer energetischen Kräften können Edelsteine an dieser Stelle einen entscheidenden Beitrag leisten. Sie bringen das energetische Potenzial des Menschen ins Gleichgewicht und sorgen dafür, dass Körper, Geist und Seele in einem harmonischen Miteinander stehen. Ähnlich wie die traditionelle Medizin aus Asien geht es der Hildegard-Medizin nicht nur um die Bekämpfung von Symptomen. Sie setzt auf einer viel grundsätzlicheren Ebene an, um den Menschen geistig und körperlich zu kurieren. 

Das „Buch von den Steinen“

Die Unterstützung der Gesundheit durch Edelsteine nimmt einen wichtigen Stellenwert in der Hildegard-Medizin ein. Mit dem „Buch der Steine“ widmete die Mystikerin diesen eine eigene Abhandlung. In deren Einleitung führt sie das schöne Äußere der Edelsteine auf die Absicht Gottes zurück. Er wollte, dass deren Strahlen und energetische Wirkung nie vergeht. Die Mineralien sollten auf sich aufmerksam machen und von den Menschen wahrgenommen und für ihre Wirkung geschätzt werden.

An die Beschreibung macht sich Hildegard sodann. Über insgesamt 24 Heilsteine hat sie ein umfangreiches Wissen versammelt. Sie informiert die Leser über deren Wirkung ebenso, wie über Entstehung beziehungsweise Fundorte der Steine. Manches Beispiel der Mystikerin aus dem Mittelalter wirkt auf moderne Wissenschaftler überraschend gut informiert.

Auch bei der mineralogischen Betrachtung war Hildegard ihren Zeitgenossen weit voraus. Über die Entstehung des Diamanten war im Mittelalter beispielsweise kaum etwas bekannt. Bei Hildegard finden sich korrekte Hinweise, die auf vulkanische Gesteinsschichten verweisen. Wie sie zu ihrem umfangreichen Wissen gekommen ist, lässt sich nur vermuten.

24 hellsichtige Beobachtungen

Anhand der im „Buch der Steine“ versammelten 24 Beispiele bietet Hildegard ihren Lesern eine Art Hausapotheke der Steinheilkunde. Der Text bewahrt uraltes Wissen, das bereits in vielen anderen Kulturen genutzt wurde. Offenbar verfügte die Heilige über eine so sensible Wahrnehmung, dass sie die Kräfte der Heilsteine spüren und in Worte fassen konnte. Möglicherweise hat sie auch göttliche Visionen zu den Edelsteinen.

Ihren Auftrag der Niederschrift verfolgte die fleißige Gelehrte auch auf dem Arbeitsgebiet der Steinheilkunde. Von den Hinweisen, die sich zu den benannten Edelsteinen im Buch finden, ist bis heute nichts überholt. Mancher der Steine, die aufgeführt werden, war früher unter einem anderen Namen bekannt. Kritische Ausgaben des Textes führen den heutigen Namen oder die Synonyme mit auf und erleichtern so die Lektüre.

Im Buch erwähnt Hildegard von Bingen die Heilsteine Bernstein, Jaspis, Peridot, Heliotrop, Achat, Lapislazuli, Granat und Zirkon. Wer heutige Lexikoneinträge zu den Heilsteinen konsultiert, liest Beiträge, die auf dem Wissen Hildegards aufbauen. Aus gutem Grund ist die Mystikerin als Epigonin der modernen Steinheilkunde bezeichnet worden. Zu ihren lateinischen Werken liegen heute Übersetzungen vor. Wer an ihrem Wissen interessiert ist, kann die Bücher beziehen oder die Texte bequem online lesen.

Carpe diem – nutze den Tag mit Edelsteinen

In ihrem Buch verweist Hildegard von Bingen darauf, dass bestimmte Heilsteine an bestimmten „Stunden des Tages wachsen“. Diese Aussagen beziehen sich nicht auf die Entstehung der Steine. Sie haben einen praktischen Bezug zur Anwendung als Heilstein.

Hildegard ordnet jedem Mineral ein Zeitfenster des Tages zu. Über den Tag hinweg entsteht eine Art Edelsteinuhr. Wer diese Kenntnisse berücksichtigt, kann auf eine starke energetische Wirkungskraft der Mineralien zählen. Die Zeitangaben halten fest, wann der Mensch auf die Wirkung eines Steins am besten reagiert.

Die Nutzung von unterschiedlichen Steinen zu verschiedenen Stunden folgt dabei einem ähnlichen Prinzip wie die Regulierung des klösterlichen Tags durch das Gebet. Die Edelsteinuhr der Hildegard von Bingen schafft Rituale, die auch im heutigen Alltag noch Ruhe und innere Gelassenheit stiften können.

Bildquellen:

Joachim Schäfer – Ökumenisches Heiligenlexikon

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